Predigt Karfreitag 2020

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Predigt Karfreitag 2020

Kirchgemeinden Limbach/Jocketa
Veröffentlicht von Martin Engler in Predigt · 10 April 2020
Versöhnung mit Gott und miteinander

Die Gnade des Gekreuzigten und Auferstandenen sei mit euch
Der Predigttext für den Karfreitag in diesem Jahr steht im zweiten Brief des Paulus an die Korinther im fünften Kapitel:  

19 DENN GOTT WAR IN CHRISTUS UND VERSÖHNTE DIE WELT MIT SICH SELBER UND RECHNETE IHNEN IHRE SÜNDEN NICHT ZU UND HAT UNTER UNS AUFGERICHTET DAS WORT VON DER VERSÖHNUNG. 20 SO SIND WIR NUN BOTSCHAFTER AN CHRISTI STATT, DENN GOTT ERMAHNT DURCH UNS; SO BITTEN WIR NUN AN CHRISTI STATT: LASST EUCH VERSÖHNEN MIT GOTT!
21 DENN ER HAT DEN, DER VON KEINER SÜNDE WUSSTE, FÜR UNS ZUR SÜNDE GEMACHT, DAMIT WIR IN IHM DIE GERECHTIGKEIT WÜRDEN, DIE VOR GOTT GILT.

Liebe Gemeinde,
Wir leiden: Manche an Angst, manche an Mangel an Liebe und Anerkennung, manche sind arm und viele sind leider krank.
Manchmal leide ich Unrecht, - jedenfalls fühlt es sich für mich so an.
Manchmal leide ich auch an meiner Sünde. – Ich habe gelernt, dass ich nur durch den Heiligen Geist Gottes etwas überhaupt als Sünde empfinden kann.
Teil der verteufelten Wirkung von Sünde ist es, dass man das eigene Sündersein nur als etwas Theoretisches annimmt und irgendwie von sich abtrennt. Natürlich weiß ich theoretisch, dass ich manchmal Fehler mache, aber manchmal denke ich zugleich, dass es nicht verkehrt ist, dass es sogar das einzig Richtige ist, und die anderen sind die Geisterfahrer.
Der Geist Gottes kann bewirken, dass ich erkenne, dass manches zutiefst verkehrt ist, dass es mich von Gott trennt.
Täglich brauche ich diese Vergebung Gottes und auch von Menschen - und zumindest von Gott bekomme ich sie auch.
Manchmal leide ich sogar an mir selbst, an meiner Unfähigkeit, bestimmte Dinge auf eine bestimmte Weise zu tun.
Jedes Leid, weist auf die Erlösungsbedürftigkeit dieser Welt hin.
Die sich ausbreitende Krankheit und das Kontaktverbot soll mir zum Zeichen werden, zum Zeichen, das zur Umkehr mahnt. – Im Licht des Wortes, das wir hier lesen, zum Zeichen, dafür dass Unversöhnlichkeit nicht das Letzte sein darf, nicht sein wird. Aber sie soll auch in mir und in meinen Beziehungen nicht das Letzte sein.
Wird dieses ‚Wort von der Versöhnung‘ von Paulus nur beschworen, etwa weil er einfach nur Frieden in seiner Gemeinde haben wollte?
Brauche ich diese Versöhnung denn überhaupt?
Ja ich bin ich oft unversöhnt, kann mich nicht abfinden, mit meinem Leid, mit meinem Schicksal … Manchmal kann ich mit Wehleidigkeit Herrmann Hesse zitieren: Wahrlich keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt, das unentrinnbar und leise von allen ihn trennt …  Manchmal verschlägt es mir die Sprache. Und manchmal kann ich den Menschen nicht geben, was sie wollen, was sie wirklich brauchen.
Was soll mir da das Kreuzesgeschehen helfen? Wieso war das notwendig? Wieso ist es  unserem Glauben nach Not-wendender Teil des Evangeliums, unverzichtbarer Teil des Glaubens, so dass wir jeden Sonntag bekennen: „Gekreuzigt, gestorben und begraben“? -
„Er hat den, der von keiner Sünde wusste, zur Sünde gemacht.“ Gott hat den, der in nichts von ihm getrennt war, abgesondert.
Das Wort von der Versöhnung ist keine Denksportaufgabe, sondern Versöhnung ist ein Geschenk, das wir empfangen dürfen, und dann mit unserem ganzen Leben beantworten sollen. Immer wieder werden wir da der Vergebung bedürftig, wenn wir versuchen das in unseren Alltag hineinzubuchstabieren. Dass wir uns dazu immer neu befähigt werden, dazu hilft uns Gottes Geist, den wir erbitten dürfen, aber es geschieht nicht magisch, so dass wir ganz von selbst helfen, automatisch vergeben würden: Gott fordert unsere Bereitschaft dazu und auch die Bitte an Gott um Versöhnung und Versöhnungsbereitschaft wird uns helfen.
Und Gott fordert, auch dass wir unsere ganze Kraft einsetzen, um uns zu versöhnen, dass wir nicht nur davon reden, sondern es tun. Es ist ein Prozess. Wenn wir im Vaterunser beten: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“  dann erkläre ich in dem Augenblick meine Bereitschaft, das auch zu tun: zu vergeben, mich zu versöhnen und zwar vorbehaltlos, nicht etwa nach dem Prinzip: „Wenn du einsiehst, dass ich Recht habe, dann bin ich bereit mich zu versöhnen“ oder: „Wenn du das so falsch verstehst, dann bitte ich dich um Vergebung.“
Versöhnung ist ein Geschenk, etwas das sich ausbreiten will. Versöhnung und Frieden gehören zusammen. Schritt für Schritt soll ich mitgehen. Es ist ein Geschehen an mir, in mir und mit mir, jedenfalls kein Automatismus. Rechtfertigung und Heiligung gehören zusammen. Also das, was an mir geschieht und das, was durch mich geschieht. Ich bin ja daran beteiligt, wir werden als Christen nicht in Automaten verwandelt, die von da an alles richtig machen und gut funktionieren, wir bleiben Menschen, die nicht entmündigt werden.    

Wenn ich auf den Gekreuzigten blicke, sehe ich, was Unversöhnlichkeit anrichten kann.
Das Kreuz zeigt mir nicht so sehr, dass Gott unbarmherzig Gerechtigkeit einfordert, sondern dass er diese stiftet, und dass Er, der in Jesus Christus ganz und gar gegenwärtig ist, solidarisch ist mit den Leidenden, mit denen, die Unrecht leiden. Dass er gerade den Leidenden in besonderer Weise nahe ist.
Es hilft, wenn ich das Wort Gottes höre und lese, am besten natürlich in der Gemeinschaft der Gläubigen, die uns zur Zeit ja leider verwehrt ist. – Auch das kann ja ein Fasten sein, der Beginn eines Neuanfangs.
So wie auf Karfreitag, das Fest der Auferstehung folgt, bin ich gewiss, dass wir uns wieder versammeln können und vielleicht wissen wir das dann wieder mehr zu schätzen.
Aber auch dieses Wort zu lesen hilft. Dieses „Wort von der Versöhnung“ will nicht nur Wort bleiben, sondern es will Geschehen werden. Und wer mit Gott versöhnt ist, der kann sich auch mit seinem Schicksal abfinden, der muss nicht zeitlebens seine Wunden lecken, und das Unrecht, das ihm vielleicht angetan wurde, beklagen, sondern er kann sich mit dem, was ihm von Gott auferlegt ist, abfinden, Zukunft gestalten  und sich vergebungsbereit neu hineingeben in Beziehungen. Er lässt sich auch mit seinen Mitmenschen versöhnen.
Der Blick auf die Vergänglichkeit und Begrenztheit der gemeinsamen Zeit kann unsere Versöhnungsbereitschaft womöglich wecken: So heißt es in Gottes Wort: „Herr lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ (Psalm 90,12) – Gott hat das ja nicht aufschreiben lassen, um uns Angst einzujagen, sondern damit wir den Wert der Zeit ermessen, den Wert der Zeit, in der wir einander geliehen sind. Das wird uns in dieser Zeit schmerzlich bewusst.
Manchmal versandet diese Botschaft, gerät in Sackgassen. Aber sie wird gelten und durchgetragen werden und durchtragen bis ans Ende der Zeit.
Wir sind, so lange wir auf diese Erde leben, zugleich Sünder und Gerechte.
Jesus Christus nimmt uns hinein in die „Gerechtigkeit, die vor Gott gilt“, die uns ohne ihn völlig fremd bleiben würde.  
Versöhnung mit Gott ist kein philosophisches Problem, das wir wie ein Rätsel lösen müssten, sondern ein Geschehen, das von Gott ausgeht, und dafür müssen wir unsere Kraft, einsetzen. Und doch muss der Geist Gottes unserer Schwachheit aufhelfen - vielmehr ‚müssen‘ tut er nicht, er tut es einfach, weil es Gottes Wille ist.
Er zieht uns in ein Vergebungsgeschehen hinein.
Dieses Geschehen, diese Kraft, die von Gott ausgeht, befähigt einen so gradlinigen und manchmal harten Menschen wie Paulus, seine Gemeindeglieder in Korinth etwas zu bitten: „Wir bitten euch, lasst euch versöhnen mit Gott.“ Wie könnte man dazu nein sagen?
Wie gesagt wir bleiben Menschen und als solche können wir Boten Gottes sein, hier in dieser Welt.
Gott hätte sein Wort auch direkt an die Menschen geben können, aber er wollte, dass es durch Menschen weitergegeben wird, das Wort von der Versöhnung, aber nicht nur als eine Information, wie die Gebrauchsanleitung zu einer defekten Waschmaschine, sondern als Evangelium, als etwas von dem eben nicht nur geredet wird - das aber auch - sondern etwas, das zugleich geschieht.
„Botschafter an Christi statt“ – was für eine Ehre!
Botschafter an Christi statt, dass wir das sind, das wird sich auswirken auf unser Verhalten, auf unser Miteinander, auf unser Christsein, auf unser Kirche-Sein. AMEN

Ich wünsche uns allen, dass wir die zur Versöhnung ausgestreckten Hände von anderen erkennen und dass wir darin die zur Versöhnung ausgestreckte Hand Gottes erkennen und dass ich selbst zur Versöhnung bereit bin, die Hand ausstrecken kann.

Wie ein Fest nach langer Trauer, wie ein Feuer in der Nacht,
ein off’nes Tor in einer Mauer, für die Sonne aufgemacht.
Wie ein Brief nach langem Schweigen, wie ein unverhoffter Gruß,
wie ein Blatt an toten Zweigen, ein »Ich-mag-dich-trotzdem-Kuss«.
So ist Versöhnung, so wird der wahre Friede sein,
so ist Versöhnung so ist Vergeben und Verzeihn.

Lasst uns beten:
Gott, du hast uns in Jesus Christus gezeigt wie weit deine Liebe geht.
Wir danken dir dafür.
Gott, mache die Menschheit frei von dieser Krankheit.
Gott, mache die Menschheit frei von Unversöhnlichkeit und vom Geist des Hasses.
Um Jesu Christi willen
AMEN

Ihr Pfarrer
Martin Engler



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